Sonntag, 4. Dezember 2011

Mondscheingärtnerin

Mondscheinbauern nannte man früher bei uns in der Gegend die Bauern, die tagsüber zum Arbeiten in die Stadt fuhren und sich nach Feierabend – oft war es dann schon dunkel, aber der Mond schien helle – auf ihren Traktor schwangen, um ihren Acker zu pflügen. Heute heißen solche Bauern Neben- erwerbslandwirte. Das klingt nicht halb so romantisch wie Mondscheinbauern, ist aber der im Amtsdeutsch gebräuchliche Begriff. Egal, ich fühlte mich heute jedenfalls wie eine Mondscheinbäuerin oder vielmehr wie eine Mondscheingärtnerin. Und das kam so: Wir waren mit den Hunden spazieren, und als wir wiederkamen, machte ich uns erst einmal eine große Kanne Tee – Wintertee, eine Mischung aus Rooibos, Zimt, süßen Brombeerblättern, Gewürznelken, Kakaobohnen, Hibiskus und Orangenschalen. Im Küchenofen loderte das Feuer. Wir tranken Tee, blätterten in dem Stapel von Prospektbeilagen, der das ziemlich dünne Sonntagsblatt dick wie die FAZ macht und schüttelten die Köpfe über die so genannten Geschenkideen, die darin angepriesen wurden. Die Palette reichte von kitschig bis geschmacklos. Muss Weihnachten so verhunzt werden?
Das die Prospektbeilagen umhüllende Sonntagsblatt meldete, dass ein Mann in einem Dorf im nordwestlichen Landkreis Gifhorn einen acht Meter hohen, "freundlich winkenden" Weihnachtsmann auf seinem Grundstück aufgestellt habe. Was werden wohl die Nachbarn dazu sagen? Wir wären wohl leicht geschockt, wenn uns eines Tages ein haushoher in Rot und Weiß gekleideter Riese vom Nachbargrundstück zuwinken würde. Wahrscheinlich braucht man für so ein Monstrum im Garten sogar schon eine Baugenehmigung.

Dunkel war's, der Mond schien helle... – Die Autorin pflanzt einen Moringer Rosenapfel.
Garantiert keine Baugenehmigung braucht man für das, was wir nach der Sonntagsblatt-Lektüre im Garten aufstellen wollte: ein Apfelbäumchen. Ich schlüpfte in die Stiefel, holte den Schlüssel vom Gartenschuppen und stellte erschreckt fest: Oje, es wird ja schon wieder dunkel! Jetzt aber schnell! Das Bäumchen musste unbedingt in die Erde, hatte es doch schon mehrere Tage im Wassereimer gestanden. Es handelt sich übrigens um einen Moringer Rosenapfel, eine seltene, alte Sorte aus dem Raum Göttingen. Der Moringer Rosenapfel ist mittelgroß bis groß, flachrund und leicht gerippt. Die Schale ist gelbgrün, später hellgelb, die Sonnenseite hellrot verwaschen und gestreift. Das Fruchtfleisch ist weiß, saftig und schmeckt süßsäuerlich mit rosenapfelartiger Würze. Seine Reifezeit hat der Moringer Rosenapfel bereits Mitte September. Er ist, wie die meisten frühen Sorten, nicht gut lagerfähig, sondern sollte möglichst bald frisch verzehrt oder zu Apfelmus, Apfelkuchen und anderen frühherbstlichen Leckereien verarbeitet werden.
Nachdem ich mit dem Spaten das Pflanzloch ausgehoben hatte, bohrte ich mit dem Erdbohrer ein Loch für den Anbindestab. Als dieser im Boden versenkt und das Bäumchen endlich Erde an den Wurzeln hatte, war es schon so gut wie dunkel. Im fahlen Licht des Mondes nähte ich mit Bindedraht das Drahtgeflecht zusammen, das das kleine Bäumchen vor den Schafen schützen soll. Um die verstreut um den Apfelbaum herum liegenden Gerätschaften wieder einzusammeln, brauchte die Mondscheingärtnerin dann aber doch noch den Lichtschein einer Taschenlampe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen