Samstag, 23. November 2013

Scheinbar schwerelos

Ein nicht der Phantasie der Künstlerin entsprungenes, sondern real existierendes Fabelwesen, allerdings aus dem Kontext
von Zeit und Raum befreit.

In Island, einem modernen, fortschrittlichen Land, kommt es immer wieder mal vor, dass beim Bau einer neuen Straße ein Schlenker eingebaut werden muss, weil eine Elfenburg im Weg ist. Die Straße einfach über die Köpfe der Elfen hinweg zu bauen, brächte Unglück, und das will niemand riskieren, auch die staatliche Straßenbaubehörde nicht. Wir Mitteleuropäer mögen derlei Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten mythologischer Wesen mit Kopfschütteln reagieren und uns vielleicht insgeheim fragen, ob die Insulaner da oben am Polarkreis noch ganz richtig ticken, aber es ist noch gar nicht so lange her, da war man auch hierzulande von der Existenz solcher Wesen überzeugt. Und sie sind auch heute noch mitten unter uns. Aber wir nehmen sie nicht war, weil sie uns nicht auf Augenhöhe begegnen, sondern hoch ober über unseren Köpfen herumtollen. Man kann sie dort durchaus sehen, aber man muss dafür schon den Kopf in den Nacken legen. Dann kann man so faszinierende Entdeckungen machen, wie sie uns meine liebe Kollegin Christine Kohnke-Löbert, die unser Calluna-Büro in Uelzen betreut,  jetzt in ihrer Ausstellung in den Räumen des Bundes Bildender Künstler (BBK) im Historischen Zentrum in Uelzen-Oldenstadt zeigt. Die Ausstellung ist heute Abend eröffnet worden.
Ausstellungseröffnung: Georg Lipinskyvom BBK Uelzen
berüßte Gäste und die Künstlerin (rechts).
Als Hans-guck-in-die-Luft hat sich Christine Kohnke-Löbert auf die Suche nach diesen merkwürdigen Wesen gemacht, die wie Spiegelbilder der Ängste und Sehnsüchte unserer Vorfahren erscheinen, uns sie für uns mit einem langbrennweitigen Teleobjektiv "eingefangen". Am ergiebigsten war ihre Ausbeute in Kirchen. Aber auch an den Fassaden mittelalterlicher Bürgerhäuser wurde sie fündig.
Dr. Horst Löbert führte in die Ausstellung seiner Frau Chris-
tine Kohnke-Löbert ein.                               Fotos: Inka Lykka Korth
Am Computer hat die Fotografin ihre Motive aus deren Umfeld herausgelöst, den Hintergrund ausgeblendet. So isoliert oder freigestellt, wie es in der Fachsprache heißt, und auf im Raum scheinbar schwerelos schwebende, großformatige, hinterleuchtete Fahnen oder sich drehende Zylinder aus transparenter Folie gedruckt und zu einer raumgreifenden Installation angeordnet, entfalten die steinernen Zeugen einer anderen Zeit – da gibt es liebliche Figuren in Menschengestalt ebenso wie finster dreinblickende Fabelwesen mit Flügeln, Hörnern und Tiergesichtern – in ihrer Schwerelosigkeit und der Interaktion untereinander eine dramatische Dynamik. Ja, fast scheint es so, als würden diese (sich) bewegenden Bilder tanzen – vielleicht aus lauter Freude darüber, aus dem Kontext von Zeit und Raum befreit worden zu sein? Der Titel der Ausstellung bringt diese Assoziation gewissermaßen auf den Punkt: "Im Tanz mit Zeit und Raum".
Auf verblüffend einfache Art und Weise, durch Weglassen, zeigt die Ausstellung, wie Zeit und Raum unsere Wahrnehmung beeinflussen. „Jedes Motiv", erläutert Christine Kohnke-Löbert, "verändert sich durch sein Umfeld, so wie auch unser eigenes Verhalten und unsere Wirkung auf andere sich unterscheiden, je nachdem, in welchen Kreisen wir uns gerade bewegen."
Die Ausstellung ist bis Ende Dezember zu sehen. An den ersten drei Adventswochenenden ist sie jeweils von 15 bis 18 Uhr geöffnet. INFO christine.kohnke(at)calluna-medien.de

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